Laufen bei sehr niedrigen Temperaturen

Der Winter ist auch in Basel angekommen, nachts fallen die Temperaturen in den nächsten Tagen sogar unter -10°, das gab es viele Jahre nicht mehr. Wie sieht es bei so kalter Witterung mit dem Laufen aus? Darf man da noch trainieren, und wenn, bei welcher Intensität? Hier ein paar Hinweise dazu (basierend auf einem Interview mit Frau Prof. Joisten – Sportwissenschaftlerin an der Sporthochschule Köln – mit Spectrum).
Ab welchen Temperaturen soll man besser pausieren?
Ab unter 10 Grad Celsius spürt man die Windgeschwindigkeit richtig deutlich. Von da an stellt sich die Frage: Wie stark bläst der Wind, und wie empfinde ich die Temperatur auf der Haut? Das kann von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sein, und deshalb ist es schwierig eine genaue Gradzahl anzugeben. Was auf jeden Fall klar ist: Je niedriger die Lufttemperatur, desto größer ist der Unterschied zur Atemtemperatur – und damit die Anstrengung für den Körper. In der Literatur findet man Empfehlungen, bei unter minus 10 Grad Celsius nicht mehr draußen zu trainieren. Aber auch im kalten Winter kann man trainieren. Wenn man sich zum Beispiel Polarforscher anschaut, wird deutlich, wie viel unser Körper aushalten kann. Aber auch die Skilangläufer harren sehr oft solch extrem niedrigen Temperaturen. Meine Erfahrung als Marathonläufer: bis -10° konnte ich relativ uneingeschränkt trainieren, wenn es kälter war gab es nur lockere Dauerläufe. Aber das ist durchaus sehr individuell und am besten hört man auf seinen Körper. Aktuell machen intensive Intervalle eh nicht sehr viel Sinn. Lockere Läufe sollten kein Problem sein.
Welche Faktoren bestimmen mit, wie gut man mit der Kälte klarkommt?
Letztlich hängt das stark vom Gesundheits- und Trainingszustand ab. Auch die Körperkomposition spielt eine Rolle: Wer mehr Fett hat, spürt die Kälte weniger. Generell kann man sich an ein Training bei sehr niedrigen Temperaturen gewöhnen, aber man sollte sich langsam herantasten. Wie das genau aussehen sollte, ist bisher leider kaum untersucht worden. Ein Positionspapier der amerikanischen Gesellschaft für Sportmedizin von 2006 fasst die damalige Forschungslage recht gut zusammen. Dort steht zum Beispiel, dass die Wärmeregulation ab einem Alter von 60 Jahren deutlich schwieriger wird. Auch Schlafmangel kann die Fähigkeit, die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, beeinträchtigen. Die Autoren weisen außerdem darauf hin, wie wichtig es ist, sich gut aufzuwärmen, um Verletzungen, wie Verstauchungen oder Zerrungen, zu vermeiden.
Ist Laufen bei Kälte schädlich?
Durch die Kälte kühlen die Bronchien aus und ziehen sich zusammen. Vor allem bei Asthmatikern kann das zu einer so genannten belastungsinduzierten Bronchokonstriktion führen. Untersuchungen belegen, dass nordische Profisportler und -sportlerinnen, etwa in Skandinavien, häufiger von Belastungsasthma betroffen sind. Sie absolvieren natürlich auch enorme Intensitäten und Trainingsumfänge. Aber auch Menschen, die moderat trainieren, verspüren mitunter einen Hustenreiz, wenn sie die kalte Winterluft einatmen. Wenn es sehr kalt ist, tut beim Laufen manchmal regelrecht die Lunge weh. Das ist unangenehm aber grundsätzlich nicht schädlich. Um das zu vermeiden, sollte man versuchen, mehr durch die Nase zu atmen. Dabei wird die Luft angewärmt und angefeuchtet. Klar ist: Je höher die Intensität, desto schwerer fällt es, nicht durch den Mund zu atmen. Neben der Atemtechnik sollte man daher auch die Belastung anpassen. Ein Schal oder Funktionstuch vor Mund und Nase kann ebenfalls bei sehr kalten Minusgraden helfen.
Welche Kleidung ist die Richtige?
Hier hat sich das Zwiebelprinzip bewährt: Lieber mehrere dünne Schichten anstatt einer dicken. Damit kann man sich besser an die Temperatur anpassen, etwa eine Schicht ablegen, wenn es zu warm wird. Starkes Schwitzen sollte man vermeiden, denn dadurch kühlt der Körper schneller aus und die Erkältungsgefahr steigt. Deshalb auch nicht übertreiben mit dicker Kleidung. Sehr wichtig sind Mütze und Handschuhe: Sind Kopf und Hände unbedeckt, geben wir über sie überproportional viel Körperwärme ab. Und welches Material ist besser? In einer Studie wurde gezeigt, dass Wolle mehr Feuchtigkeit aufnimmt als Polyester und deshalb am Körper trockener bleibt. Anderseits trocknet Kleidung aus Polyester schneller, wenn sie einmal nass geworden ist. Eigentlich ist es Geschmackssache; man sollte das wählen, was angenehmer zu tragen ist. In jedem Fall sollte die Kleidung möglichst atmungsaktiv sein. Die Schuhe sollten die Füße warm und trocken halten, bequem sein und ein gutes Profil und den richtigen Gummi haben, so dass man nicht wegrutscht.
Achtung nach dem Training!
Mehrer Faktoren machen uns nach dem Training anfälliger für Erkältungskrankheiten, man bezeichnet das auch als »Open-Window-Effekt«. Damit wird vor allem der belastungsbedingt geringere Immunschutz beschrieben. Deshalb lautet die Devise: Nach dem Sport so schnell wie möglich ins Warme. Man kann eine warme Dusche nehmen, auch ein Saunagang wird empfohlen.
Manche Experten raten deshalb von Intervalltraining bei Kälte ab. Wenn man kurz und intensiv trainiert, schwitzt man mehr und droht in den Pausen zwischen den Einheiten schneller auszukühlen. Sie empfehlen deshalb bei sehr kalter Witterung lieber mehrmals über die Woche verteilt, langsamer und dafür länger zu trainieren.
Was bedeutet der Open-Window-Effekt genau? Wenn man intensiv trainiert, schüttet der Körper Stresshormone aus, zum Beispiel Kortisol. Das unterdrückt das Immunsystem. Krankheitserregern wie Viren und Bakterien wird damit praktisch »ein Fenster« geöffnet, sprich: Man erkältet sich leichter. Wie lange dieser Effekt anhält, hängt von der Art der Belastung ab. Üblich sind 24 bis 48 Stunden; nach besonders intensiven Einheiten wie einem Marathonlauf kann es aber bis zu zwei Wochen dauern, bis sich die Aktivität des Immunsystems wieder auf einem normalen Niveau eingependelt hat.
Insgesamt hat Sport einen positiven, regulativen Effekt auf das Immunsystem: Es wird darauf trainiert, angemessen auf Reize zu reagieren und nicht gleich überzuschießen.
Wie lange sollte es bei Kälte sein?
Grundsätzlich kommt es darauf an, wie gut man trainiert ist. Wenn man sich nach dem Sport gut fühlt, kann man versuchen, beim nächsten Mal länger zu trainieren. Und umgekehrt: Wenn es einem danach nicht gut geht, war es vielleicht zu viel. So kann man sich an die optimale Dauer herantasten. Um Krankheiten vorzubeugen, wird generell empfohlen, sich an mindestens fünf Tagen die Woche 30 Minuten zu bewegen, damit kommt man auf insgesamt 150 Minuten. Das ist aber sicherlich keine Sache, die man von null auf hundert – schon gar nicht im Winter – starten sollte. Kardiologen empfehlen Menschen, die sich sehr wenig bewegen, mit zehn Minuten pro Tag zu beginnen und die Dauer langsam zu erhöhen.
Darf man trainieren, wenn man leicht erkältet ist?
Normalerweise gilt in der Sportmedizin die Faustregel: Wenn das Nasensekret durchsichtig und flüssig ist, kann man noch leicht bis allenfalls moderat Sport machen; ist es gelb-grünlich, sollte man es lassen. Natürlich ist das auch immer eine Intensitätsfrage. Eine lockere Laufrunde oder ein Spaziergang ist vielleicht noch drin; von einem intensiven Workout ist aber abzuraten. Ein fiebriges Gefühl oder Halskratzen sollte aber immer ein Warnzeichen sein, genau wie Gliederschmerzen. Menschen, die gerne Sport treiben, neigen leider häufig dazu, so etwas zu ignorieren.
Wenn man trotzdem trainiert, vor allem mit hoher Intensität, besteht das Risiko, dass sich eine Herzmuskelentzündung entwickelt. Die wird klassischerweise durch Viren verursacht. Im schlimmsten Fall kann sie zu einer Herzschwäche oder einer Herzrhythmusstörung führen. Unter Umständen kann das sogar tödlich ausgehen.